Der Gedanke, dass die Natur vor dem Treiben des Menschen zu schützen sei, geht im Wesentlichen auf Ideen des 19. Jahrhunderts zurück. Prägend für die Entstehung des Naturschutzgedankens in Deutschland war um das Jahr 1800 Alexander von Humboldt, der auch als Schöpfer des Begriffs Naturdenkmal gilt. Dort aber, wo Denkmäler errichtet werden, gilt es, an Vergangenes und Verschwundenes zu erinnern. Wehe also dem, dem Denkmäler errichtet werden!
Naturschutz ist Widerstand gegen Technologie und Verzifferung
Parallel zu den Gedanken von Humboldts kann auf die Romantik verwiesen werden, in deren Neigung zur Mystifizierung des Natürlichen bereits eine Reaktion auf die ersten Auswüchse rationaler und technologischer Zugriffe auf die Natur gesehen werden kann. Hierhin gehören auch die französische Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts sowie die Gedankenwelt des Henry David Thoreau: Der Naturschutzgedanke ist im Kern Widerstand gegen die Technisierung und ökonomische Verzifferung der Welt. Fast immer liegt deshalb ein Hauch Melancholie über ihm. Naturschutz blieb jedoch nicht lange eine Sache nur der Ästheten und Denker, sondern fand immer mehr Rückhalt im Volk. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden vor allem in Deutschland Naturschutzvereine gegründet.
Kontaminierter Naturschutz?
Zum institutionellen Anliegen der Politik in Deutschland wurde der Naturschutzgedanke 1906 mit der Errichtung der Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege in Preußen. Im Nationalsozialismus erhielt der Naturschutz dann erstmals ein starkes gesetzliches Fundament: 1934 mit dem Reichsjagdgesetz und 1935 mit dem Reichsnaturschutzgesetz. Neben dem Schutz der Landschaft stand dabei vor allem der Artenschutz im Zentrum. Unabhängig von allen inhaltlichen Aspekten dieser Gesetzgebung war der Naturschutzgedanke damit allerdings für alle Zeiten kontaminiert. Zwar erlebte er nach dem Krieg in der Bundesrepublik in den Jahren des um sich greifenden Massenkonsums und der rauchenden Schornsteine zunächst eine Wiedergeburt, doch blieb die Erinnerung an seine Herkunft aus der Zeit nationalsozialistischer Gesetzgebung unterschwellig stets präsent.
Konservative Wurzeln und Übergang zum Umweltschutz
Die in ihren Anfängen durchaus konservativ geprägte ökologische Bewegung der Bundesrepublik (hierzu sehr lesenswert: Silke Mende „Nicht rechts, nicht links, sondern vorn. Eine Geschichte der Gründungsgrünen“) hatte sich in Anlehnung an die Tradition vor allem dem Arten- und Landschaftsschutz in Verbindung mit einer philosophisch fundierten Technikkritik verschrieben. Im Hintergrund besonders der frühen Technikkritik steht ein Buch von Friedrich Georg Jünger, dessen Wirkmächtigkeit für das Naturschutzdenken in der Bundesrepublik bis heute unterschätzt wird: „Die Perfektion der Technik“ (1939 geschrieben, 1946 erstmals veröffentlicht). Im Zuge der Wandlung der ökologischen Bewegung zu einer eindeutig links ausgerichteten Partei mit gänzlich anderen Zielsetzungen wurde auch der Begriff „Naturschutz“ später auf kaltem Weg entsorgt und durch einen anderen ersetzt, der von vielen als Synonym verstanden wurde, dabei jedoch gänzlich andere Inhalte transportiert. Die Rede ist vom Umweltschutz.
Natur wird zur Funktion von Umwelt
Während der Naturschutzbegriff noch eine klare Trennlinie zieht zwischen der Natur (gemeint als vielfältige Gesamtheit des organisch gewachsenen Lebens auf der Erde, wobei selbstverständlich auch die Lebensräume mitgemeint sind) und der Welt der Technik, des Sozialen und der Ökonomie, weicht diese Trennung im Begriff Umweltschutz rasch auf: der Begriff „Umwelt“ schließt die zuvor noch als naturfeindlich begriffene, vom Menschen gestaltete Welt des Sozialen, Technischen und Wirtschaftlichen zu großen Teilen mit ein.
Umweltschutz ist vor allem Schadensbegrenzung im vom Menschen gestalteten urbanen Räumen – eine vom Menschen unabhängig existierende, aus sich selbst heraus gestaltungsfähige Natur kommt im Umweltschutzgedanken nicht vor. Der Naturraum als Unterbegriff der Umwelt ist lediglich wichtig hinsichtlich des Ressourcenmanagements – saubere Luft, sauberes und in hinreichender Menge vorhandenes Wasser, verantwortungsvolle Nutzung der Bodenschätze. Natur wird damit vollkommen rationalisiert und zu einer Funktion innerhalb des Systems Umwelt umdeklariert und pervertiert. An die Stelle des organisch Gewachsenem tritt ein techno- und bürokratisches Konstrukt.
Konstrukt Klimaschutz
Eine weitere Zuspitzung findet dieser Prozess in der Verengung des Umweltschutzgedankens auf den Klimaschutzgedanken. Während die Vorstellung, Natur oder selbst die Umwelt durch Verhaltensänderung schützen und vor den Folgen menschlicher Eingriffe bewahren zu können, noch einigermaßen anschaulich und konkret ist, geht diese sinnlich erfahrbare Konkretisierung im Fall des Klimaschutzes gänzlich verloren. „Klima“ ist durch und durch Konstrukt und ein im höchsten Maß abstrakter Begriff – sinnlich erfahrbar ist höchstens das Wetter. Aber wie man das Wetter nicht schützen kann, sondern höchstens Maßnahmen treffen kann, um sich selbst vor dem Wetter zu schützen, ist „Klima“ komplett außerhalb jeder Schützbarkeit und als Abstraktum auch außerhalb jeder lebensweltlichen Realität. „Klima“ ist ein wissenschaftlicher Begriff und meint stets eine Gesamtheit komplexer, dynamischer und hinsichtlich ihrer Wirkzusammenhänge noch längst nicht durchschauter Phänomene. Im politisch instrumentalisierten Klimaschutz aber wird so getan, als läge das Klima uns quasi vor der Nase. Folglich könne es wohl auch geschützt werden wie ein seltener Fledermausbestand oder eine seltene Orchideenart.
Verzerrter Schutzgedanke
Nicht nur der Klimabegriff, auch der Schutzgedanke selbst ist hier auf groteske Art verzerrt: Nicht das Klima als solches soll ja geschützt werden, vielmehr gilt es, einen ganz konkreten, für die heutige Weltzivilisation als günstig erkannten Zustand innerhalb des komplexen, dynamischen Systems Weltklima für alle Zeiten zu konservieren. Ein solches Vorhaben ist so widersinnig und irrational, als wollte man dafür sorgen, dass zu jeder Minute an jedem Ort der Welt das natürliche Tageslicht der Sonne verfügbar ist. Während Natur- und Umweltschutz noch für sich beanspruchen können, im Rahmen von Ursache- und Wirkungsmechanismen rational zu sein, geht diese Rationalität beim Klimaschutz komplett verloren. An die Stelle der Rationalität tritt das Irrationale einer sich abzeichnenden Klimareligion. Fragt man sich, wie eine fortgeschrittene, durch Rationalität und Wissenschaftlichkeit geprägte westliche Industriegesellschaft es zulassen kann, dass der Irrationalismus und in seinem Gefolge übermächtige Schuldgefühle den Kurs bestimmen, gibt es eigentlich nur eine Antwort: Die Klimareligion erfüllt innerhalb der Transformation der Nationalstaaten zum im Zuge der Globalisierung angestrebten Weltstaat eine sehr wichtige Funktion.
Klimaschutz als Katalysator der Globalisierung
Der Endzustand der Globalisierung kennt keine Grenzen mehr, keine nationalen, ethnischen, kulturellen Unterschiede. Alles ist jederzeit und überall verfügbar, die Arbeits- und Konsumbedingungen sind angeglichen, Arbeitskräfte, Rohstoffe, Kapital, Technologien, Energieressourcen und Wissen fließen ungehindert dorthin, wo gerade Bedarf ist. Weil das Klima nicht vor Nationalstaatsgrenzen halt macht, sondern gleichfalls global ist, müssen auch zu seiner vermeintlichen „Rettung“ alle nationalstaatlichen, ethnischen, kulturellen und auch individuellen Egoismen aufgegeben werden: Alle Menschen weltweit ziehen zur Klimarettung an einem Strang – und machen, so die Erwartung, dabei die überaus beglückende Erfahrung, dass es sich in lässiger Welt- und Wertegemeinschaft ohne Grenzen und sonstige störenden Unterschiede viel besser leben lässt. Die begleitende Hypermoral macht jedem Skeptiker deutlich, dass er sich aus der menschlichen Gemeinschaft ausschließt, wenn er Zweifel anmeldet oder sich weigert, mitzutun. Die Klimareligion ist bei einer solchen Betrachtungsweise nichts anderes als ein Katalysator der Globalisierung.
Klimaschutz im Zusammenhang mit Umwelt- und Naturschutz
Dabei bleiben sowohl der Natur- als auch der Umweltschutz auf der Strecke, wie man am Beispiel der sogenannten erneuerbaren Energien und der aus ihnen gespeisten Technologien klar sehen kann: Weder Wind- noch Wasserkraftwerke, weder E-Mobilität noch industrielle Biogaserzeugung können in irgendeiner Weise für sich beanspruchen, dem Natur- oder Umweltschutz zu dienen. All das gerät im Zuge des Klimaschutzes sogar auf besonders perfide Weise unter die Räder. Wollte man es heute mit dem Naturschutz oder auch nur dem Umweltschutz wieder ernst meinen, müssten als allererstes wohl sämtliche im Rahmen des Klimaschutzes bereits etablierten und geplanten Maßnahmen auf den Prüfstand gestellt werden.
Wurzel des Übels: Die Ästhetisierung
Dennoch sollten wir auch den Naturschutzgedanken nicht unkritisch idealisieren. Es wäre vor allem zu fragen, ob in ihm nicht etwas angelegt ist, was seine Pervertierung überhaupt erst möglich gemacht hat. Erinnern wir uns, dass in den Anfängen des Naturschutzes ästhetische Aspekte eine entscheidende Rolle gespielt haben. Ästhetik geht auf das altgriechische Wort Aisthesis zurück, Wahrnehmung. Gemeint ist menschliche Wahrnehmung: Die Natur wird entweder als Eroberungsraum oder als Opfer von Eroberungsbestrebungen wahrgenommen. In beiden Fällen wird die Natur auf ihr Wahrgenommensein reduziert – also auf die rein menschliche Perspektive. Das setzt sich fort in der Pervertierung der Natur zur Umwelt und im daran anschließenden Klimakonstrukt: Es geht immer nur um das weitere Wohlergehen des Menschen, nicht um die Natur, nicht um die Umwelt, nicht um das Klima – und schon gar nicht um den Planeten. Wer anderes behauptet ist nicht nur ein Lügner, sondern (schlimmer noch) ein Heuchler.
Was tun?
Die alte naturphilosophische Unterscheidung zwischen natura naturans und natura naturata geht hinter jede Ästhetisierung bzw. Moralisierung zurück: Die hervorgebrachte, geschaffene und geborene Natur (natura naturata) entstammt einer hervorbringenden, schaffenden und gebärenden Natur (natura naturans). Sie – symbolhaft in alten Kulturen als große Mutter gefasst – zu achten und ihre Launen zu respektieren zeichnete die menschliche Kultur über Jahrtausende aus und verlieh ihr Größe. Gibt es einen Weg zurück? Wir sollten uns beizeiten an den Gedanken gewöhnen, dass jeder Versuch, umgekehrt uns die natura naturans untertan und gefügig zu machen oder sie für unsere Zwecke zu manipulieren, ohnehin zum Scheitern verurteilt ist. Die Rechnung wird manchmal nur etwas später präsentiert.
In dem Beitrag Die Sprengkraft der ökologischen Frage hat der Autor bereits wichtige Grundzüge der Notwendigkeit einer Aktualisierung des ökologischen Denkens ausgebreitet.