Der Fragebogen: T. C. Boyle

Der amerikanische Schriftsteller T. C. Boyle steht vor allem für eines: großartige Unterhaltung. Doch seine Bücher deshalb als Unterhaltungsliteratur zu verfemen wäre zu kurz gegriffen. Denn nahezu immer betreibt Boyle menschliche Verhaltensforschung. So auch in seinem jüngsten Roman »Sprich mit mir«, in dem er den Leser mit der brachialen Seite des Lebens konfrontiert. In einem für ihn gewohnt lakonischen Ton stellte der amerikanische Vielschreiber sich unserem Fragebogen und grüßt aus Santa Barbara.

Der Fragebogen erschien zuerst in unserer Druckausgabe #03, hier bestellen.

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Leben Sie eher digital oder analog?
Nachdem ich meiner Frau hinterhergeräumt und mich danach am Schreibtisch der Tagträumerei hingegeben habe, verbringe ich jeden Tag draußen. In der Natur.

Was war Ihr letzter Konzertbesuch?
Ich erinnere mich nicht, der ewige COVID-Lockdown hat ja alle Konzerte unmöglich gemacht. Davor habe ich Dr. John im nahegelegenen Lobero Theater in Santa Barbara gesehen, ebenso, allerdings bei anderer Gelegenheit, Charles Lloyd.

Berlin oder München?
München. München ist die Heimat meines Verlegers, dem Hanser Verlag. Außerdem kann man dort (im Eisbach im Englischen Garten) sogar surfen.

Was haben Sie von (Ihren) Kindern gelernt?
Wie man Rechnungen auftürmt und anschließend bezahlt.

Sind Vegetarier die besseren Menschen?
Attila “kochte” seine Steaks, indem er sie während ausgedehnter Raubzüge unter dem Sattel seines Pferdes verstaute. Trump isst Cheeseburger. Ihr entscheidet.

Woran denken Sie, wenn Sie an Corona denken?
Mexikanisches Bier.

Brecht oder Rilke – und warum?
Beide. Brecht für seine Wildheit, Rilke für die Schönheit.

Wo würden Sie niemals Urlaub machen?
In 99.9% der Welt.

Wen finden Sie lustig?
Leute, die mich zu Lachen bringen.

Ab welchem Alter fängt das Leben erst richtig an?
Dann, wenn die Drecksarbeit beginnt.

Was löst der Name Heidegger bei Ihnen aus?
Fragen Sie die Abtreibungsgegner.

Wein oder Bier?
Wein. Vor einigen Jahren brach ich mir mein Bein und wechselte von Weiß zu Rot, und merkte dabei, dass ich innerlich gereift war und mich deswegen auch den reifen Weinen hingeben sollte.

Mit welchem Politiker würden Sie am ehesten im Fahrstuhl stecken bleiben wollen?
Mit niemandem der seine oder ihre Stimmbänder hat entfernen lassen.

Ihr musikalischer Geheimtipp?
John Coltrane, mein Jugendheld, dessen Musik mir zeigte, was großartige Kunst ist. Der zweite Platz geht an Bach.

5-Gänge-Menü beim Starkoch oder Hausmacher-eintopf mit Zutaten der Saison aus dem eigenen Garten?
Kommt ganz darauf an, wer kocht. Sollte ich an der Reihe sein, würde ich lieber ins Restaurant gehen. Gibst du einen aus?

In welcher historischen Epoche würden Sie am liebsten wiedergeboren werden wollen und warum?
Keins von beiden. Pures Glück liegt in der Nichtexistenz.

Elvis oder Sinatra?
Elvis Costello.

Unterwegs im Museum: Lieber eine gut gemalte Müll-tonne oder ein schlecht gemaltes Märchenschloss?
Weder noch. Dennoch muss ich sagen, dass sich meine erste Art von künstlerischer Wertschätzung im MOMA abspielte. Als Kind sah – und berührte – ich einen Affenkopf von Picasso, der aus einem Spielzeug-LKW geformt war.

Was sammeln Sie und warum?
Hundescheiße, von meinem eigenen Hund natürlich – in biologisch abbaubaren Säckchen, die anschließend im Rindenmulch landen. Zweimal täglich.

Welcher Autor langweilt Sie?
Meine Feindesliste ist schon viel zu lang als dass ich wagen könnte, diese Frage zu beantworten.

Mit welchem Zeitgenossen würden Sie gerne für einen Tag lang Geist oder Körper tauschen?
Scarlett Johansson. Dann würde ich mich den ganzen Tag selbst befummeln.

Was spricht für die Religion?
Jämmerliche Furcht.

Ihre Bibliothek brennt und Sie können genau ein Buch retten, welches wäre das?
Eine Anleitung zum Wiederaufbau verbrannter Bibliotheken.

Was sollte die Menschheit ernster nehmen als jetzt, was weniger ernst?
Am wenigsten beunruhigen mich die Twinkies; am meisten die existenzielle Herausforderung der globalen Erwärmung.

Zu welcher Jahres- oder Tageszeit kommen Ihnen die besten Gedanken?
Abends und in der Nacht.

Picasso oder Rembrandt?
Kommt auf den Tag und die Laune an.

Sie haben Visionen. Wohin damit, zum Arzt oder in die Politik?
Mein Leben ist ein Panorama voller Visionen. Deshalb bin ich Schriftsteller.

Wer müsste unbedingt bekannter sein?
Meine künstlerischen Mitstreiter, Musiker und insbesondere Schriftsteller. Außerdem verehre ich Biologen.

Wovor haben Sie Ehrfurcht?
Mein Agent, Georges Borchardt. Wie ich schon anderswo oft wiederholt habe: Er ist der beste Mensch der jemals auf dieser Erde geboren wurde.

Wie fühlen Sie sich nach Beantwortung dieses Fragebogens?
Jetzt will ich mich volllaufen lassen.

 

 

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