„Es lebe die Freiheit“ – Geschwister Scholl

Hineingeboren in eine Zeit des Wandels, verbrachten Hans und seine drei Jahre jüngere Schwester Sophie den Großteil ihrer Kindheit und Jugend in Ulm. Aus bürgerlichem Haushalt stammend und nach christlichen Grundsätzen erzogen, erlebten die Kinder die Machtergreifung und die damit einhergehende Gleichschaltung.

In der Rubrik „Ikonen & Ideale“ stellen wir in regelmäßigen Abständen Persönlichkeiten vor, die sich Zeit ihres Wirkens durch Mut, Tapferkeit, Idealismus sowie bedingungslose Aufopferungsbereitschaft ausgezeichnet haben. Im Mittelpunkt stehen Idee & Tat, denn dort, wo andere wankten, legten widerständige Naturen die Saat für Mythen und Legenden, die alle Zeiten überdauern. Heute: Die Geschwister Scholl.

„Wir hatten den Geruch von Moos, von feuchter Erde und duftenden Äpfeln im Sinn, wenn wir an unsere Heimat dachten. Und jeder Fußbreit war uns dort vertraut und lieb. Das Vaterland, was war es anderes als die größere Heimat all derer, die die gleiche Sprache sprachen und zum selben Volke gehörten. Wir liebten es und konnten kaum sagen, warum.“ [1]

Der Vater, skeptisch und besorgt, hielt die neuen Machthaber für „Wölfe und Bärentreiber“, doch die Welle der Begeisterung, die schließlich auch seine eigenen Kinder erfasste, schien jeden zu verschlucken. So kam es, dass sich die Geschwister vom allgemeinen Enthusiasmus verzücken ließen und sich der Hitlerjugend bereitwillig anschlossen. Hitler, so der allgemeine Tenor, werde Deutschland wieder stark machen und zu alter Größe zurückführen, und die Jugend werde dabei eine entscheidende Rolle spielen. Die Kritik des Vaters hingegen stieß auf taube Ohren.

Hans, der sich nach einiger Zeit ob seiner Individualität nicht mehr mit der schon früh abgerichteten Masse identifizieren konnte, begann langsam aber sicher, den totalitären Charakter des Systems zu durchschauen und zu hinterfragen. Zuflucht und Geborgenheit fand er schließlich in der „jungenschaft“, die bündische Traditionen wieder aufleben ließ und sich, anders als die Hitlerjugend, durch freiheitsliebenden Geist und ihren ganz individuellen Stil auszeichnete. Er las unter anderem Rilke und George und hatte eine Vorliebe für Maler wie van Gogh und Gauguin.

Direkt zu Beginn seiner Studienzeit lernte er rasch andere Frei- und Schöngeister kennen, die sich oft in seiner Münchner Wohnung zusammenfanden um gemeinsam ihren Lieblingsbeschäftigungen zu frönen: Gedichte vortragen, Diskutieren, Philosophieren. Es einte sie ferner der bis dato noch unausgesprochene Wille, dem Regime mit den ihnen zu Verfügung stehenden Mitteln entgegenzutreten. Sie waren keine wilden Rebellen, sondern planten ihre Aktionen mit der dafür zwingend erforderlichen Ernsthaftigkeit. Die vielen Ungerechtigkeiten, vor allem gegenüber Juden, die unerhörte Einengung des Denk- und Sagbaren und Gerüchte über die Vernichtung „lebensunwerten Lebens“ ließen der Gruppe keine andere Wahl. Hans und sein Studienfreund Alexander Morell hatten als Wehrmachtsoldaten das Elend im Warschauer Getto mit eigenen Augen gesehen und auch von anderen unaussprechlichen Greueltaten hinter der Front gehört. Nach der verheerenden Niederlage der 6. Armee in Stalingrad war ihnen bewusst geworden, dass dies der Anfang vom Ende sein musste. Es war schließlich seine Schwester, die zum ersten Mal das Wort „Widerstand“ in den Mund nahm, und ihr Professor Kurt Huber, der ebenfalls zur „Weißen Rose“ gehörte, fasste die Anspruchshaltung und Zielsetzung in aufwühlenden Worten zusammen:

„Unsere Aufgabe wird es sein, die Wahrheit so deutlich und hörbar als möglich hinauszurufen in die deutsche Nacht. Wir müssen versuchen, den Funken des Widerstands, der in Millionen ehrlicher deutscher Herzen glimmt, anzufachen, damit er hell und mutig lodert […]. Vielleicht gelingt es in letzter Stunde, die Tyrannis abzuschütteln und den wunderbaren Augenblick zu nützen, um gemeinsam mit den anderen Völkern Europas eine neue, menschlichere Welt aufzubauen.“ [2]

Nach Verteilaktionen von Flugzetteln folgten das Aufmalen von Parolen wie „Nieder mit Hitler“ oder „Freiheit“ an der Münchner Universität. In ständiger Angst vor Verfolgung und doch entschlossen bis ins Mark, legten sie die Flugblätter am 18.2.1943 in den Horsälen aus und warfen die übriggebliebenen Handzettel vom zweiten Stock aus in das Foyer. Der Hausmeister erspähte und denunzierte Hans und Sophie, die daraufhin sofort von der Gestapo verhaftet wurden. Der eigens aus Berlin eingeflogene Roland Freisler, seines Zeiches Präsident des Volksgerichtshofes, verkündete das Todesurteil für Christoph Probst, ebenso Mitglied der „Weißen Rose“, und das Geschwisterpaar. Die Anklagepunkte: Hochverrat, Wehrkraftzersetzung, Feindbegünstigung.

„So ein herrlicher Tag, und ich soll gehen. Aber wieviele müssen heutzutage auf den Schlachtfeldern sterben, wieviel junges, hoffnungsvolles Leben. Was liegt an meinem Tod, wenn durch unser Handeln Tausende von Menschen aufgerüttelt und geweckt werden.“ [3]

Stets waren sie sich der großen Gefahr bewusst, und doch gingen sie furchtlos und erhobenen Hauptes ihrem eigenen Untergang entgegen. Kurz bevor die Guillotine dem Leben von Hans Scholl ein Ende setzen sollte, verließen die Worte „Es lebe die Freiheit!“ seine Lippen. Sie starben im Bewusstsein, das einzig Richtige getan zu haben, und diese Geisteshaltung war es, die kein noch so totalitäres System jemals hätte brechen können. Außerdem zum Tode verurteilt wurden Alexander Schmorell, Willi Graf und Professor Huber, dessen Notizen „Schlußwort eines Angeklagten“ mit den bekannten Worten Fichtes enden:

Und handeln sollst du so, als hinge

Von dir und deinem Tun allein

Das Schicksal ab der deutschen Dinge,

Und die Verantwortung wär‘ dein.

Ausgesprochen schwach und ängstlich handelte der NS-Staat, der in dieser Hinsicht keine andere Handhabe sah, als die besten und mutigsten Köpfe seiner Jugend unters Fallbeil zu legen. Getreu nach dem Leninschen Motto „erschieße einen, erziehe hundert“ statuierte das Regime durch die Exekutionen ein Exempel. Hans Hirzel, der sich im Umfeld der „Weißen Rose“ bewegte und am Verteilen von Flugblättern in Stuttgart beteiligte, wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt. In seinen „Erinnerungen an die Jahre 1942 bis 1945“ betont das Mitglied der „Ulmer Abiturientengruppe“ die patriotische Attitüde der Nichteinverstandenen. So trank Huber beispielsweise kurz vor seiner Hinrichtung seinen Wein auf „das Wohl seines geliebten Vaterlandes“ und schrieb seiner Frau, sie solle sich freuen, da er für Deutschland sterben werde. Auch Sophie sprach davon, „das beste für ihr Volk“ getan zu haben. Letzten Endes war es wohl eine Mischung aus christlicher Ethik und patriotischem Verantwortungsbewusstsein, die der Gruppe als Motivation und Triebfeder diente. Dass diese Lesart vom heutigen linksliberalen Zeitgeist und dessen politisch korrekten Geschichts- und Diskursverwaltern verhüllt wird, sollte also niemanden überraschen.

Gedanklich in der Tradition des Freiheitsgeistes stehend, welcher die antinapoleonischen Befreiungskrieger beseelte, wählten die jungen Widerständler ihre Schlussworte im sechsten Flugblatt:

„Studentinnen! Studenten! Auf uns sieht das deutsche Volk! Von uns erwartet es, wie 1813 die Brechung des Napoleonischen, so 1943 die Brechung des nationalsozialistischen Terrors aus der Macht des Geistes. Beresina und Stalingrad flammen im Osten auf, die Toten von Stalingrad beschwören uns! „Frisch auf mein Volk, die Flammenzeichen rauchen!“ Unser Volk steht im Aufbruch gegen die Verknechtung Europas durch den Nationalsozialismus, im neuen gläubigen Durchbruch von Freiheit und Ehre!“ [4]

 

Literatur und weiterführende Links:

Inge Scholl – Die weiße Rose, Fischer Verlag, 9. Ausgabe 2001, Frankfurt am Main.

Hans Hirzel – Im Umfeld der „Weißen Rose“, Erinnerungen an die Jahre 1942 – 1945, Verlag Antaios, 1. Ausgabe 2014, Schnellroda.

BPB, Die Weiße Rose.

[1] Inge Scholl – Die Weiße Rose, S.13.

[2] Ebenda, S.44.

[3] Ebenda, S.60.

 

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