Holunder ist ein magisches, mythisches Gehölz. Sein Name ist bereits im althochdeutschen bekannt und geht vermutlich auf urgermanische Wurzeln zurück. Dementsprechend vielseitig sind auch seine kulturellen Deutungen.
Holunder trägt aber auch je nach Region andere Namen wie Elder (wie im englischen), Holder, Holler oder auch Flieder. Ob der Name auf die hohlen Äste zurückgeht oder ob sich aber die nordische Göttin Holda in ihm verbirgt, wird wohl im etymologischen Dunkel verborgen bleiben. Die Germanen brachten daher wohl auch Opfergaben zum Holunderbusch, in der Annahme die in diesem Busch hausende Göttin (sei es Holda oder Frau Holle oder auch Freya) zu erfreuen. Das Fällen eines Holunderstrauchs kam daher nicht in Frage. Man vermutete Krankheit und den Tod als Folge.
Die Eisheiligen hatten die Holunderblüte in diesem Jahr verzögert. Inzwischen stehen die Büsche in den Hecken aber überall in voller Blüte. Der Duft ist unverkennbar süßlich und fruchtig angenehm, ganz anders als der Geruch des Holunderholzes.
Die religiöse Symbolik reicht weit zurück
Ein Holunderbaum wurde am Haus als Schutz gegen böse Geister oder Blitzeinschlag gepflanzt. Das Verdorren dieses Hausbaums wiederum sollte auf den baldigen Tod eines Familienangehörigen hindeuten (der Holunder selber wird allerdings auch ohne Handanlegen nicht viel älter 100 Jahre). Gleichzeitig sollte ein auf einem Grab eingepflanzter Holunderzweig, der zu wachsen und grünen beginnt, anzeigen, daß der Verstorbene seine wohlverdiente Ruhe im Jenseits gefunden habe.
Auch Kulturkreisübergreifend kommt dem Holunder eine besondere Bedeutung zu. Angeblich soll bereits Jesus in einer Wiege aus Holunderholz geschlummert und sein Ende an einem Kreuz aus Holunder gefunden haben. Nun ist das Holz des Holunders, gerade wenn es frisch ist, eher weich und der Holunder bei weitem nicht der einzige Baum oder Strauch, dem diese tragende Rolle beim Tode Jesu zugeschrieben wird. Er teilt sich das Schicksal u. a. mit der Espe, die seit diesem Ereignis immer zittern muß, der Mistel, die zur Strafe zum Schmarotzen an anderen Bäumen verdammt ist, einer Birke in Schweden, die seitdem gekrümmt auf den Feldern steht, dem Seidelbast, der zu einem armen Sträuchlein verkümmert ist und der Steineiche, die seitdem verflucht ist und von den Zimmerleuten gemieden wird.
Der Verräter Christi, Judas, soll sich an einem Holunder erhängt haben. Das Judasohr, ein morchelartiger Pilz, ragt daher wohl bis heute noch allein aus Holunderstämmen heraus. Und nicht zuletzt bei den Kelten war der Holunder der Baum, der den Kreislauf des Lebens symbolisiert, als toter Baum im Winter, der im Frühjahr zu neuem Leben erwacht.
Verborgene Heilkräfte und lyrische Inspiration
Wer heute nicht mehr an die mythische Kraft des Holunders glaubt, darf dennoch seine Heilkräfte durchaus ernst nehmen. Die Beeren, die auf keinen Fall roh verzehrt werden sollten, enthalten jede Menge Vitamin C und andere tolle Inhaltsstoffe, die u. a. vor Erkältung schützen und mit jedem überseeischen „Superfood“ problemlos mithalten können. Der Saft der Beeren kann auch wunderbar in Fruchtmarmelade verarbeitet werden.
Aus den Blüten läßt sich Tee gegen Fieber aufbrühen, der gleichzeitig für einen ruhigen Schlaf sorgt. Besonders schmackhaft ist Holunderblütensirup. Um diesen herzustellen, braucht man 10 bis 12 Blütendolden die man in einem Liter Wasser an einem kühlen Ort mindestens 18 Stunden ziehen läßt. Anschließend nimmt man die Blüten aus dem Wasser und seiht dieses durch ein Handtuch ab. Die klare Flüssigkeit wird anschließend mit einem Kilo Zucker aufgekocht und mit Zitronensäure oder Zitronensaft abgeschmeckt, bevor man den Sirup in ausgekochte Flaschen abfüllen kann.
Jedem Kind ist der Hollerbusch sicherlich aus dem Singspiel „Ringel Ringel Reihe“ bekannt. Den Duft des Frühsommers hat Ricarda Huch eingefangen und Oda Schaefer hat dem Strauch direkt ein ganzes Gedicht gewidmet:
Holunder
Sitze ich im Dunkelgrün Träumend an der grauen Rinde Eingewiegt vom Sommerwinde – Sehe ich dein helles Blühn Überall im Dunkelgrün Sehe still dein Wunder Sterniger Holunder. Blätter spielen über mir Fingergleich mit Licht und Schatten Auf den zarten Phloxrabatten, Und ich ruhe ganz im Hier, Glut und Mittag über mir, Lausche deinem Wunder, Sterniger Holunder. Wie die Zeit vergessen lehnt Drüben an der weißen Mauer – Bin ich`s selber ohne Trauer, Ohne Seele, die sich sehnt, Und am Stamm vergessen lehnt Tief in deinem Wunder Sterniger Holunder
Natürlich gibt es zum Abschluß auch die passende Musik, einmal klassisch und in einer schönen Version des Musikprojekts Werkraum, das leider keine neuen Stücke mehr produziert: