Der Fragebogen: Werner J. Patzelt

Werner J. Patzelt stammt aus Passau, studierte Politikwissenschaft in München und Straßburg und lehrte bis zu seiner Emeritierung 2019 nahezu dreißig Jahre lang an der TU Dresden. Für seine Habilitationsschrift ‚Abgeordnete und Repräsentation‘ erhielt er 1994 den Wissenschaftspreis des Deutschen Bundestages. Neben seiner akademischen Tätigkeit wirkt er als Kammermusiker und Chorleiter.

Leben Sie eher digital oder analog?

Ich bin in beiden Welten zuhause. Doch für Wein und Käse gibt es nun einmal keinen digitalen Ersatz …

Was war Ihr letzter Konzertbesuch?

Kurz „vor Corona“ – in Dresdens Semperoper bei Schönbergs „Gurre-Liedern“, dirigiert von Thielemann.

Berlin oder München?

Wenn es nach mir geht: Berlin, wenn nach meiner Frau: München. Also München.

Was haben Sie von Ihren Kindern gelernt?

Wie man wesentlich entspannter erwachsen werden kann, als mir das beschieden war.

Sind Vegetarier die besseren Menschen?

Nein. Warum auch? Ich bin doch selbst gar keiner … ich meine: Vegetarier!

Woran denken Sie, wenn Sie an Corona denken?

Ist ein hübscher Mädchenname, nicht? – Im Ernst: Ich denke an die Pest des 14. Jahrhunderts und freue mich, dass wir in der Gegenwart nicht mehr so hilflos sind.

Brecht oder Rilke – und warum?

Paul Gerhard, Goethe oder Eichendorff brächten mich mehr in Versuchung. Deshalb wohl Rilke.

Wo würden Sie niemals Urlaub machen?

In der Antarktis. Oder am Nordpol.

Wen finden Sie lustig?

Immer noch: Fernandel als Don Camillo.

Ab welchem Alter fängt das Leben erst richtig an?

Ab dem Ruhestand!

Was löst der Name Heidegger bei Ihnen aus?

Erinnerungen an Stunden mit schwieriger Lektüre. Und wohl dem, der durch Kenntnis des Altgriechischen gegen Heidegger-Deutsch abgehärtet ist…

Wein oder Bier?

Beides! Das hängt ja ganz vom Begleitprogramm ab.

Mit welchem Politiker würden Sie am ehesten im Fahrstuhl stecken bleiben wollen?

Mit Bodo Ramelow – aber nur, wenn er keinen seiner Wutausbrüche bekommt.

Ihr musikalischer Geheimtipp?

Ist gar nicht so geheim: Claudio Monteverdi à la Harnoncourt

5-Gänge-Menü beim Starkoch oder Hausmachereintopf mit Zutaten der Saison aus dem eigenen Garten?

Sehr gern die fünf Gänge! Zahlen Sie? – Danke!

In welcher historischen Epoche würden Sie am liebsten wiedergeboren werden wollen und warum?

Nur in der unseren – allein schon wegen der Fortschritte in der Zahnheilkunde …

Elvis oder Sinatra?

Altersgemäß: Sinatra, denn „I did it my way”. Immer. Fast.

Unterwegs im Museum: Lieber eine gut gemalte Mülltonne oder ein schlecht gemaltes Märchenschloss?

Am besten schaue ich nur Bilder vom Impressionismus rückwärts an – da gibt es keine Mülltonnen. Und die meisten Bilder in unseren Museen sind ja gut gemalt, weil die Sammler von Kunst meist viel verstanden.

Welcher Autor langweilt sie?

Da kann jedem geschehen – und ändert sich je nach Situation und Lebensalter. Jetzt würde mich Karl May langweilen, während ich mich auf Dostojewski freue. Ich habe sogar Stifters „Nachsommer“ überstanden!

Man verbannt Sie aus Europa. Auf welchem anderen Kontinent oder in welchem Land suchen Sie ein Exil?

In Australien. Da beherrsche ich die Sprache, habe ich Kontakte – und bin vor vielerlei Migrationsbewegungen sicher. Australiens ursprüngliche Einwohner würden da freilich eine andere Einschätzung haben …

Was sammeln Sie und warum?

Ich sammle schöne Stunden und gute Erinnerungen. Warum? Die sind unverlierbar!

Mit welchem Zeitgenossen würden Sie gerne für einen Tag lang Geist oder Körper tauschen?

Ich glaube, dass ich mich auf so ein Abenteuer gar nicht einlassen wollte.

Was spricht für die Religion?

Vieles. Sie schafft grandiose Erfahrungen über den Alltag hinaus und gibt dem Geist Geborgenheit.

Spiegel oder NZZ?

Heutzutage die NZZ. Alternativlos, müsste die Kanzlerin sagen – falls ihre Politik in der NZZ besser wegkäme.

Ihre Bibliothek brennt und Sie können genau ein Buch retten, welches wäre das?

Da bin ich altmodisch: Eine Ausgabe vom Alten und Neuen Testament.

Was sollte die Menschheit ernster nehmen als jetzt, was weniger ernst?

Ernster die Endlichkeit unserer Ressourcen und Existenz, weniger ernst das Oberflächengekräusel politischer Debatten – vor allem dann, wenn sie als Talkshows stattfinden.

Zu welcher Jahres- oder Tageszeit kommen Ihnen die besten Gedanken?

Quer übers Jahr und rund um die Uhr. Besonders oft aber beim Duschen und beim Skifahren.

Picasso oder Rembrandt?

Ich mag nicht wählen! Also werde ich Michelangelos „David“ klauen … (ups, ist der schwer!)

Sie haben Visionen. Wohin damit, zum Arzt oder in die Politik?

Das hängt von den Visionen ab. Allerdings: Was sollte ich mit denen in der Politik? Die wimmelt doch von Visionären! Und meine liebste politische Vision ist ohnehin schon Wirklichkeit: die freiheitliche demokratische Grundordnung – zumindest in manchen Teilen der Welt.

Wer müsste unbedingt bekannter sein?

Natürlich ich. Mein Gott, warum begreift das niemand!

Wovor haben Sie Ehrfurcht?

Ausnahmsweise ohne Ironie: vor der Aura des Göttlichen – was immer das wirklich sein mag.

Welcher Mensch hat Sie persönlich am meisten beeindruckt?

Johannes Paul II.

Wie fühlen Sie sich nach Beantwortung dieses Fragebogens?

Sehr gut – und mir selbst ein wenig näher.

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