Aus dem Zukunfts- und Fortschrittslaboratorium Silicon Valley kommen vordergründig optimistische Prognosen für die Zukunft. Die Lösungen der irdischen Probleme heißen Fortschritt und Entwicklung. Privat jedoch denken einige der Protagonisten ganz anders.
Der deutschstämmige Amerikaner Peter Thiel ist einer dieser Personen. Thiel kaufte in Neuseeland eine an die 200 Hektar große Farm, auf der er sich im Falle eines zivilisatorischen Zusammenbruchs zurückziehen kann. Die geistige und physische Vorbereitung für den Ernstfall laufen.
Der mögliche Untergang der Demokratie
Peter Thiel ist Mitgründer des online-Bezahldienstes PayPal und war einer der frühen externen Kapitalgeber von Facebook. Mittlerweile agiert er primär als venture-capitalist, investiert also große Summen in risikobehaftete Unternehmen – die Gewinnspanne ist dabei im Idealfall umso größer. Außerdem war Thiel einer der einzigen öffentlichen Personen des Silicon Valley, die aktiv den Wahlkampf des amtierenden US-Präsidenten Donald Trump unterstützen. Bei Thiel steckt mehr dahinter also bloßer Opportunismus. Skepsis gegenüber der Vereinbarkeit von Freiheit und Demokratie hegt Thiel ebenso wie Vorbehalte gegenüber der Zukunftsfähigkeit der liberalen Demokratie.
Auch sein Interesse an alternativen Zukunftsvisionen geht bis in die 1990er Jahre zurück. Eines der Bücher, das Thiel nach eigenen Angaben am meisten beeinflusst hat, ist ein libertäres Manifest aus dem Jahr 1997. Dieses Manifest trägt den Titel „Das souveräne Individuum. Wie man den Zusammenbruch des Wohlfahrtsstaates überlebt und davon profitiert.“ Hierbei handelt es sich um eine düstere Zukunftsvision, in der sich die liberale Demokratie als nicht lebensfähig erweist. Aus der Krise heraus entsteht eine neu organisierte Struktur. Es wird Zusammenschlüsse von Stadtstaaten geben, die der Struktur von Unternehmen gleichen. In diesen Stadtstaaten werden sich dann einzelne Individuen auf freiwilliger Basis zusammenschließen können. Ungeachtet der Realisierung dieses Szenarios wird deutlich, dass sich grundlegend mit dem Scheitern der zeitgenössischen Staats- und Wirtschaftsform beschäftigt wird. Das wirkt bis in das kosmopolitische Herz der digitalisierten Welt hinein.
Neuseeland, das neue Amerika?
Zu dem Gründungsmythos der USA gehört, dass sich der Staat unabhängig von den europäischen Altlasten wie Feudalismus, Katholizismus, Aristokratie usw. ausbilden konnte. Ein Land von Freien für Freie, ohne auf Vorbedingungen und Traditionen Rücksicht nehmen zu müssen. Auf jenem Nährboden konnte sich so ultraliberales Denken in Idee und Tat frei entfalten. Eine Parallele zum heutigen Neuseeland ist unübersehbar.
Nicht zuletzt durch die Verfilmung von Der Herr der Ringe ist Neuseeland für viele Menschen ein sehnssuchtsbeladenes Land geworden, das die Aussteiger- und Auswandererherzen höher schlagen lässt. Die Bevölkerungsdichte beträgt gerade einmal 17 Einwohner pro Quadratkilometer (zum Vergleich: in Deutschland sind es 232). Genug Platz also, sich einen Rückzugsort zu schaffen, von dem aus man den Zusammenbruch der Zivilisation aus beobachten kann. Es ist demnach nicht ausgeschlossen, dass Neuseeland zu einem ähnlichen Symbol werden könnte, wie es Nordamerika einst war.
Für Peter Thiel ist Neuseeland jedenfalls „die Zukunft“, wie Mark O’Connell ihn im Freitag zitiert. Ferner stehe nichts „mehr mit meiner Vorstellung von der Zukunft im Einklang als Neuseeland“, so Thiel. Postwendend wurde ihm außerdem die neuseeländische Staatsbürgerschaft verliehen, die ihn überhaupt erst zum Kauf des gigantischen Grundstücks auf der Südinsel des Landes berechtigte. Reichlich Kritik ist daran ebenso geäußert worden wie an Thiels politischen und persönlichen Zukunftsvisionen. Lebt Thiel im gedanklichen Wolkenkucksheim eines Superreichen, der nicht weiß wohin mit seinem Geld, oder schwebt die reale Möglichkeit des zivilisatorischen Scheiterns wirklich über uns?