Peter Sloterdijk: Über die Depression

„Gewollte und bejahte Härte fängt das Schwerwerden ab, das auf die Überlasteten wartet, und nur bei mißlungener Selbstverhärtung treten die Depressionen offen hervor…Depressiv wird, wer Gewichte trägt, ohne zu wissen wozu. Dann wird das Leben für sich selbst zu schwer, weil es nicht länger auf seiner anonymen Grundhärte aufbauen kann. Der Depressive begegnet den Lasten nicht mit fröhlichem Positivismus, sondern mit einem Aufgebot ruinöser Anstrengung. In dieser fügen sich Angestrengte die Härten des Lebens noch einmal selber zu und schaffen somit die Ausgangslage für depressive Schwächungen. Wo solche in Gang gekommen sind, will das Subjekt im Grunde nicht, was es muß, sondern widerspricht mit einem Teil seines Wesens dem Daseinspensum… In der Depression verbraucht sich das Subjekt in dem aussichtslosen Versuch, Nichtgewolltes doch zu wollen. Depressive sind klinische Stoiker, in denen sich mißlungene Revolutionäre verbergen.“

Peter Sloterdijk

Aus: Peter Sloterdijk, Weltfremdheit, Suhrkamp 199.

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