Arne Kolbs einzelne Aphorismen erheben keinen Anspruch auf Originalität und seine gesammelten keinen auf Konsistenz. Ihr gemeinsamer Nenner ist ein unbeteiligter Blick auf die Welt: Der Blick eines souveränen Geistes, der – unzügelbar schweifend – alle Steh- und Standpunkte gleich verschmäht. Bevor wir künftig in regelmäßigen Abständen jeweils eine Sentenz aus Kolbs Feder präsentieren, ist hier ein Grundstock von 30 Aphorismen mit fünf Landschaftszeichnungen unseres ersten Leindwandhelden Clarkson Stanfield vereint.
Wenn das Kunstwerk in die Sphäre der Schönheit hineinragt, ist gleichgültig auf welchen Bergen von Dreck sein Gipfel ruht.
Weil der Missionar selber zweifelt, muss er dauernd andere überzeugen.
Der Kosmopolit ist ein belesener Fatalist: Man kann nichts ändern, ohne zuerst das Ganze zu ändern – also ändert man nichts.
Gewöhnlich wird von den Historikern eine immer genauere Erforschung der Vergangenheit verlangt, während es doch schon eine gewaltige Leistung wäre, könnten sie verhindern, dass mit zunehmendem Abstand ein immer tieferes Unverständnis um sich griffe.
Unsere Zeit wird nicht beherrscht von modernen Ideen, nur die meisten Köpfe in ihr.
Die Langeweile zeugt mehr Kinder und Umstürze als die Leidenschaft.
Das Christentum war immer oppositionelle Doktrin: Früher unter dem Aberglauben, heute unter dem Positivismus.
Gott ist der einzige Gedanke, der nicht dadurch widerlegt wird, dass ihm nichts in der Welt entspricht.
Materialistische Auffassungen des großen Schriftstellers sind nur eine List, mittels derer die Kunst Transzendenz hervortreibt.
Das beste politische System ist immer das langweiligste.
Ein großes Werk ist eines, nach dessen Lektüre wir in einer anderen Welt leben als zuvor.
Misstrauen wir dem Kulturpessimisten: Er ist nur ein verkehrter Progressist.
Aus der Unmöglichkeit Kulturen objektiv zu bewerten, folgert der Liberale die objektive Gleichwertigkeit aller Kulturen.
Das Tier, welches Gott erfand, war der erste Mensch.
Man muss schon eine außerordentlich schwachsinnige Idee haben, um nach dreitausend Jahren Überlieferung wirklich originell zu sein.
Der Individualist hat keine Ruhe, ehe nicht allgemein bekannt ist, dass er sich um die Meinung anderer nicht kümmert.
Die Etikette ist nicht das Korsett, das die Menschen an authentischer Kommunikation hindert, sondern das Geländer, an dem sie den Abgrund zwischen sich überqueren.
Mit dem Fortschreiten der Globalisierung wird die Xenophobie zur einzigen Wächterin des Pluralismus.
Die Klugheit gebietet, dass die letzten sozialistischen Regime zu Anschauungszwecken erhalten werden.
Wenn man sieht, welchen Unfug die Menschen treiben sowie sie zu Geld kommen, scheint es vortrefflich, dass der gesellschaftliche Reichtum von einer kleinen Minderheit okkupiert wird.
Die Kunstdiebe gleichen militanten Tierschützern, die das Kunstwerk aus einer nicht artgerechten Haltung befreien.
Halten wir uns an den Antikapitalismus Puschkins, der sein Gold in den See warf, weil es so schön glitzernd in der Tiefe versank.
Wer an Gott glaubt, hat keinen Grund sich zu beklagen; wer nicht an ihn glaubt keinen Anlass.
Man eliminierte die Sünde, um den Eros von einem schädlichen Geschwür zu befreien. Heute sehen wir, dass man eines seiner lebenswichtigen Organe amputierte.
Seien wir unvernünftig: Wer rationale Motive hat, wird sofort entlarvt.
Es ist nicht falsch, die Welt durch die Augen eines Atheisten zu betrachten.
Aber langweilig ist es.
Der Nihilismus ist schlicht Mangel an Talent: Da wir sterblich sind, kann jeder Trottel die umfassende Nichtigkeit beweisen, doch nur ein Genie das Gegenteil.
>Patriarchat< ist das feministische Wort für Kultur.
Ein philosophisches Problem zu lösen bedeutet nur, zu entdecken, dass es in Wahrheit kein philosophisches Problem war.
Die Liste von Dingen, in deren Namen noch kein Krieg geführt wurde,
ist ein Kompendium des Bedeutungslosen.