Jetzt ist endlich wieder was passiert!

In seinem neunten Fall ermittelt Brenner zunächst im Müll, doch dann stößt er auf die Organschmuggelmafia und eine Familientragödie.

Acht Jahre hat uns Wolf Haas auf Brenners neuen, seinen neunten, Fall warten lassen. Wieder einmal wird der ehemalige Kriminalpolizist und ebenso ehemalige Privatdetektiv in ein Kapitalverbrechen verwickelt, während er nur gemütlich seiner neusten Arbeit auf dem Mistplatz (so nennen die Wiener den Wertstoffhof) nachgehen will.

Der Brenner-Fan ist es mittlerweile gewohnt, dass Brenner an Orten, in Milieus ermittelt, die zwar ganz alltäglich sind, aus denen aber stets ein Hauch des Ekels, des Abseitigen entgegenweht. Integrale Bestandteile unserer modernen Gesellschaft, an die wir aber nicht gerne denken. Das Weggewischte, das uns an unsere Sterblichkeit erinnert oder das Leid, das mit den Bequemlichkeiten unseres Alltags in der Großstadt verbunden ist. Die Brenner-Krimis spielen in Großraumbrathähnchenrestaurants mit eigener Schlachtung im Keller, in Abtreibungskliniken oder im mit Menschenhandel aus Osteuropa durchzogenen Rotlichtmilieu. Da scheint eine Müllsammelstelle harmlos, zumal wenn Mülltrennung und Recycling gut funktionieren.

Aber dann tauchen Leichenteile in den Abfallcontainern auf – aber nicht im Kompost, sondern auf alle möglichen Sammlungen verteilt. Nur das Herz fehlt.

Tatsächlich war die Müllsammelstelle nur ein, vielleicht ein wenig streng riechendes, Ablenkungsmanöver, um den Leser mit dem eigentlichen thematischen Herzstück des Romans zu konfrontieren: Organspende und der damit verbundene Erwerb von Spenderorganen.

Doch die Brenner-Romane sind keine Psychothriller, sie erzählen Gräuel nicht um des Gräuels willen. Sie sind Grotesken voll von feinsinnigem und manchmal derbem Humor, Wiener Schmäh und treffsicherer Gesellschaftssatire. Dementsprechend ist der Roman ganz zeitgemäß: Dominierten im letzten Fall noch die Computer, so sind diesmal die Smartphones allgegenwärtig. Und wenn die älteren Protagonisten weiter Computerprobleme haben, hilft der Dutt tragende, buddhistische Student, der zum Frühstück „Hirseporridge mit Mandelmilch“ verspeist und nach der Arbeit zum Yoga radelt.

Der elliptische Erzähler der Brenner-Krimis ist der gleiche geblieben. Mit dem typischen Anfang „Jetzt ist schon wieder was passiert“ hatte er schon in Der Brenner und der liebe Gott (2009) gebrochen. Nun tritt Simon Brenner selbst in Müll etwas in den Hintergrund. Der kopfwehgeplagte Grantler ermittelnd wie eh und je, mehr von Zufall zu Zufall stolpernd, um im entscheidenden Moment zur Tat zu schreiten, indem er am Ende eine motorisierte Verfolgungsjagd startet, die so manchen Actionstreifen der 80er in den Schatten stellt. Der Leser kennt Brenner, weiß, wie er ausschaut und tickt. Der Detektiv ist etabliert. Das gibt dem Erzähler Raum, auch die Ermittlungsarbeiten der Polizei im Fall des in Teilen gefundenen Toten zu schildern und die Tochter des Toten ins Visier zu nehmen.

In Müll stellt Wolf Haas wieder einmal unter Beweis, dass er hervorragende Krimis schreiben kann, die nicht nur durch die Ermittlung und Witz bis zur letzten Seite fesseln, sondern durch ihre Themen zum Nachdenken anregen darüber, wie wir leben wollen. So mancher Leser mag fortan beim Skiurlaub in Österreich besonders darauf achten, seinen Organspendeausweis mitzunehmen.

Wolf Haas: Müll. Hoffmann und Campe, 2022. 288 Seiten. 24 Euro.

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