Für große mediale Aufmerksamkeit sorgte in den vergangenen Wochen der Leipziger Künstler Axel Krause. Ihm wurde aufgrund von politisch unliebsamen Äußerungen seine Galerie gekündigt. Krause hatte sich auf seinem privaten Facebook-Profil kritisch gegenüber der bundesrepublikanischen Einwanderungspolitik geäußert. Sein Galerist zitierte ihn daraufhin in sein Büro und verkündete die Beendigung ihrer 14-jährigen Zusammenarbeit. Der Fall steht symptomatisch für die zunehmende Politisierung einer Kunstszene, die sich nach außen gerne rebellisch und unangepasst geriert. Die Causa Krause beweist allerdings auch, dass der etablierte Kunstbetrieb, zumindest unter der Oberfläche, in Bewegung ist. Andere Uneinverstandene und Freigeister könnten seinem Beispiel folgen.
Axel Krause ist Jahrgang 1958 und absolvierte ein Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) in Leipzig. Heute gilt Krause als einer der exponiertesten Künstler der sogenannten Neuen Leipziger Schule und auch im Ausland steht sein Name für hohe künstlerische Qualität.
Wir durften den Maler in seinem Atelier im Herzen von Leipzig besuchen und trafen auf einen zurückhaltenden und ruhigen Mann, der die Aura eines tiefenentspannten, gelassenen Künstlers ausstrahlt. In lockerer und herzlicher Atmosphäre sprachen wir mit ihm über seine Jugend in der DDR, den Zustand der zeitgenössischen Kunst, die Aufgabe der Kunst und den Rauswurf aus seiner Galerie.
Sie sind in Halle an der Saale aufgewachsen. Wie haben Sie Ihre Kindheit in der SED-Diktatur erlebt. Sind Sie in Ihrer Jugend bereits mit dem DDR-System in Konflikt geraten?
Nein, in der Kindheit war die DDR-Diktatur kaum erlebbar. Wenn man in der Kindheit in etwas hineinwächst, dann spürt man keinen unmittelbaren Widerstand. Als ich jedoch in das Jugendalter kam und Ambitionen zur eigenen Lebensgestaltung entwickelte, waren schon Grenzen spürbar. Ich würde die DDR-Diktatur aber gegenüber einer Militärdiktatur, wie beispielsweise denen in Südamerika, abgrenzen wollen. Auch wenn es Mauertote gab, haben diese nicht den Alltag bestimmt. Es war ein einengendes, miefiges Klima, wo man gerne hätte ein Fenster öffnen mögen, was dann ja 1989 auch geschah.
In der DDR hatte die Kunst allein schon aufgrund des staatlichen Selbstverständnisses her einen tendenziell höheren Stellenwert als im Westen Deutschlands. Auch das Kunstverständnis war ein anderes. Was hat sie so an der Kunst fasziniert, dass Sie sich entschieden haben, selbst Künstler zu werden?
Ich weiß nicht, ob man von einem höheren Stellenwert sprechen kann. Es waren eben zwei verschiedene Systeme. Aber klar, in einem gewissen Rahmen erfuhr die Kunst staatliche Förderungen, solange sie sich in einem bestimmten Fahrwasser bewegte und das System stützte.
Mein persönlicher Wunsch Künstler zu werden hatte mit der DDR eigentlich nichts zu tun. Ich war im Kindergarten der Beste. Meine Kindergärtnerin, Frau Schuhmann, meinte, dass meine Zeichnungen toll wären. Ich dachte, wenn ich Frau Schuhmann begeistern könnte, dann bestimmt auch andere Frauen.
Die Rückbindung an die klassische Malerei, die auch eine handwerkliche Tradition beinhaltet, ist in den Werken der großen DDR-Maler wie Werner Tübke oder Wolfgang Mattheuer noch sehr präsent. Wie gestaltet sich Ihr persönliches Kunstverständnis und wie sehr ist es von einem klassischen Kunstbegriff geprägt?
Das ist schwer erklärbar. Ich habe eine gewisse Neigung zu Bildern, in denen man Anmutungen der Realität wahrnimmt, das stimmt schon. Ich bin jedoch kein realistischer Maler, sondern ich inszeniere etwas. Für mich liegt der Reiz darin, dass man etwas kreiert, was der Realität ähnelt, aber nicht unmittelbar mit ihr zu tun hat. Es ist ein Gleichnis, Ausdruck meines Lebensgefühls.
Von dieser Art zu malen gab es eine vage Vorstellung in meiner Jugend, die ich aber schlecht auf den Punkt bringen konnte. Wenn man sich eigene Lebensentwürfe schafft, egal ob man schreibt oder malt, ist man ja immer auch auf der Suche nach Vorbildern. Dabei bin ich eben auf die von Ihnen erwähnten Leipziger Maler gestoßen. Ergänzen könnte man noch Volker Stelzmann, Arno Rink, Bernhard Heisig, Dietrich Burger und Günter Thiele. Diese Art zu malen hat mich fasziniert.
Was denken Sie über die moderne bzw. abstrakte Kunst?
Jedes sogenannte figürlich-gegenständliche Bild auf dem man, simpel formuliert, etwas erkennen kann, ist gleichzeitig auch ein abstraktes Bild! Wenn man die Tasse, wie sie hier auf dem Tisch steht, einfach abmalt, wie ein biologischer Fotoapparat, dann ist es noch lange kein Bild, sondern erst, wenn man daraus eine Inszenierung schafft, die mit Komposition und Gestaltungswillen zu tun hat. Also mit einem vorsätzlichen „Zurechtrücken“, um ein gewisses Klima, eine Stimmung zu erzeugen, welches das Thema trägt. Diese Art der Gestaltung haben Sie bei abstrakten Bildern ebenso.
Sie könnten auch den Versuch unternehmen und einen kleinen Ausschnitt aus so einem gegenständlichen Bild herausnehmen, dann wäre jeder kleine Ausschnitt auch ein abstraktes Bild. Das Kunstwerk muss also im Sinne von Komposition und Farbkorrespondenz ein sinnvolles Gefüge im Sinne einer übergeordneten Idee ergeben, sonst ist es kein Bild. Insofern würde ich keinen so großen Unterschied machen zwischen sogenannter abstrakter und gegenständlicher Kunst. Nur abstrakt zu malen entspricht eben nicht meiner persönlichen Neigung.
Gemeinhin werden Sie zu der sogenannten Neuen Leipziger Schule gezählt. Stilistisch gibt es auch einige Überschneidungspunkte, die darauf hinweisen. Würden Sie die Zuweisung auch als Selbstbezeichnung wählen?
Als Selbstbezeichnung würde ich sie nicht wählen, da es nicht mein Beruf ist, mich in eine Schublade zu stecken. Allerdings wehre ich mich auch nicht gegen diese Zuweisung. Leute wie Sie, die über etwas schreiben, müssen Begriffe erfinden. Und irgendjemand hat sich das wohl so ausgedacht. Da ich in Leipzig lebe und zu einem bestimmten Zeitpunkt hier studiert habe, wird eben dieser Begriff verwendet. Und wenn man das tut, dann bin ich damit einverstanden.
Fühlen Sie denn eine inhaltliche Nähe zu anderen Vertretern dieser Schule?
Dafür gibt es glaube ich zu wenig Kontakt bzw. künstlerisch verbindende Elemente. Ich beratschlage mich nicht mit meinen Kollegen. Bei künstlerischen Problemem bin ich Einzelkämpfer und ich nehme an, die meisten anderen Kollegen auch. Sicherlich gibt es eine gegenseitige Beeinflussung, da wir in der gleichen Stadt studiert haben und leben. Dennoch, Bilder malen ist eine einsame Angelegenheit.
Rund zwei Wochen ist es her, dass Sie ihre vertraute Galerie verloren haben. Schildern Sie doch bitte einmal den Vorfall aus Ihrer Sicht. Wie kam es konkret dazu? Hatte sich der Konflikt zwischen Ihnen und Ihrem Galeristen bereits im Vorfeld angekündigt?
Der Sachverhalt ist nicht besonders aufregend. Seit ungefähr zwei Jahren nutze ich Facebook und poste dort Artikel verschiedener Onlinezeitschriften. Diese Artikel haben eine bestimmte Tendenz und spiegeln indirekt auch meine politische Meinung wider. Meine beiden Galeristen hatten davon Kenntnis, sie haben das über einen längeren Zeitraum „beobachtet“, wie mir mitgeteilt wurde. Darauf hin angesprochen wurde ich jedoch nicht, obwohl wir uns oft sahen. In dem letzten Gespräch teilten sie mir dann mit, dass die Zusammenarbeit beendet wäre. Sie wollten meinen politischen Standpunkt nicht mittragen.
Meine Kunst ist keine unmittelbar politische, ich verarbeite keine tagespolitischen Themen in meinen Bildern. Der Galerist war allerdings der Auffassung, die Person und die künstlerische Arbeit sind als Ganzes zu sehen. Meine Stellungnahme zu diesem Rauswurf wurde zuerst vom lokalen Radiosender, MDR Kultur, registriert und verbreitet und später von verschiedenen Medien nochmals aufgenommen. So ist dann eine kleine mediale Welle entstanden.
Die Äußerungen, um die es bei der Kündigung ging, stammen von Ihrem privaten Facebook-Profil. Haben Sie mit derartigen Konsequenzen gerechnet? Und vor allem: Hätten Sie einen so ernomen medialen Widerhall für möglich gehalten?
Ich habe damit gerechnet, dass es kritische und solidarische Stimmen gibt. Auf Facebook gab es vorher schon Kommentare, aus denen sich sowohl Unverständnis als auch Zustimmung herauslesen ließ. Die unterschiedliche Sicht auf die Dinge fördert gewiss einen reflektierten Standpunkt. Mit Kritik hatte ich gerechnet, aber dass ich für selbstverständliche Meinungsäußerungen rausgeworfen werde, das hätte ich nicht gedacht.
Hat es sie auch persönlich getroffen?
Ja, das war auch eine menschliche Enttäuschung. Matthias Kleindienst, einen der beiden Galeristen, kenne ich seit nahezu 40 Jahren. Wegen dieser Sache praktisch die Zusammenarbeit zu beenden, das ist schon ein starkes Stück.
Nun liegt der Fokus medial ausschließlich auf Ihren politischen Äußerungen. Stört es sie, dass Sie in dieser Debatte als Künstler quasi nicht mehr wahrgenommen werden?
Das würde ich nicht ganz so sehen. Zunächst geht es natürlich um das Politikum, dass die Galerie sich nicht aus persönlichen, ökonomischen oder künstlerischen Gründen von mir getrennt hat, sondern eben aus politischen. Wäre ich Friseur und meine Chefin hätte mir aus politischen Gründen gekündigt, und nicht weil ich die Frisuren nicht mehr richtig hinbekomme, dann hätte das wahrscheinlich weniger Aufmerksamkeit bekommen. Der Grund dafür, dass dieser Rauswurf ein gewisses Echo erzeugt hat, ist, dass dieser Fall in der bildenden Kunst, meines Wissens nach, bisher singulär ist. Indirekt hat es also etwas mit der Kunst zu tun, und dass ich mit meiner Kunst jetzt nicht im Fokus stehe, ist naheliegend. Das wird sich aber wieder ändern und auch das Ende des Trubels um meine Person ist in Sicht. Dann bin ich wieder mit dem Malen beschäftigt.
Die Folge dieser Politisierung ist, dass Ihr Werk jetzt mit den politischen Äußerungen verwoben scheint und von einigen Zeitgenossen nicht mehr unabhängig davon betrachtet wird. Ihr Name steht jetzt im Wesentlichen für die Äußerungen, die sie getätigt haben. Dieser Prozess zeugt von einem Klima, in dem die Kunst sukzessive unfreier wird. Kann man diesen Vorgang auf den großen Kunstbetrieb im Allgemeinen übertragen?
Ich bin mir nicht sicher, ob die Kunst deshalb unfreier wird – der Künstler wird unfreier. Wir haben in der Kunst das erfreuliche Phänomen, dass man fast uneingeschränkt arbeiten kann. Es gibt in der Kunst allerdings vereinzelt Tendenzen, die vom Gegenteil zeugen; beispielsweise wurde das Gedicht von Gomringer überpinselt oder im Metropolitan die „Träumende Therese“ von Balthus abgehängt, weil man etwas von ihrer Unterwäsche sehen konnte – da fühlen sich Feministinnen furchtbar in ihrer Würde gekränkt! Also das sind bedrohliche Tendenzen, die haben etwas mit unverhältnismäßiger political correctness zu tun.
Der Zusammenhang mit meinem Fall ist meines Erachtens der Versuch, all das, was eine bestimmte Gruppe als negativ, als nicht daseinsberechtigt auszumachen glaubt, zu stigmatisieren und auszugrenzen. Damit will man sich nicht auseinandersetzen und fragen, warum malt ein Maler eine kleine Therese auf diese Weise, was löst das in mir aus, welche Projektionen kommen da zustande? Oder: Warum gibt es einen Maler der doch tatsächlich sagt, dass die AfD ein begrüßenswertes Korrektiv im politischen Betrieb ist? Das soll nicht hinterfragt werden, sondern wird stattdessen verurteilt.
Glauben Sie, dass die von Ihnen getätigten Äußerungen in Verbindung mit Ihrem unapologetischen Umgang mit der Thematik ein Stein des Anstoßes auch für andere Künstler sein kann?
Ja, das denke ich schon. Wenn ich mit meinen bescheidenen Beiträgen eine Schneise ins Dickicht schlagen konnte, so soll mir das recht sein. Wenn andere nachziehen wollen, können sie an meinem Beispiel beobachten, was passiert und welche Mechanismen in diesem Land greifen. Ich tue dies allerdings aus der komfortablen Position eines Künstlers heraus, der wenig zu verlieren hat. Ich kann die Beweggründe jener verstehen, die ihre politischen Unmutsbekundungen nur unter vorgehaltener Hand kundtun, weil sie eine Familie zu ernähren oder ein Haus abzubezahlen haben. Nicht jeder sollte sich unangemessen weit aus dem Fenster lehnen.
Zuletzt: Welche Aufgabe hat die Kunst ihrer Meinung nach?
Meine Definition von Kunst beginnt mit folgendem Gedanken: Ein Bild sollte zur Welt gebracht werden wie ein Kind, nämlich um seiner selbst Willen. Es gibt wenige Dinge in unserem Leben, die zweckfrei sind und lediglich einem urmenschlichen Bedürfnis geschuldet sind. Dazu gehört die Kunst ebenso wie auch Liebe oder Religion. Das ist ein hohes Gut. Wenn ich male, fühle ich mich einfach ein Stückchen näher bei mir. Das ist der erste Grund, warum ich Bilder mache. Der zweite Grund ist sie auszustellen. Dann ist ein Kommunikationsmittel entstanden und es könnte im günstigsten Fall passieren, dass es eine Resonanz gibt, dass einer sagt, da gibt es etwas, ein Gefühl, ein Anstoß, etwas was mich auf emotionaler Ebene mit dem Künstler verbindet.
Das ist ein zweifelsfrei begrenzter und zugleich hoher Anspruch. Denn alles andere, was der Kunst manchmal unterstellt wird, nämlich pädagogisch oder politisch zu wirken, sind Ziele, welche die engen Grenzen meines Kunstverständnisses überschreitet. Das hat dann etwas mit Agitation, Propaganda, Werbung oder Kampagne zu tun, was natürlich alles auch eine Daseinsberechtigung hat, jedoch etwas anderes ist, als das, was ich tue.
Ich bedanke mich herzlich für das Gespräch und wünsche Ihnen alles Gute.
(Das Interview führten Tano Gerke und Oliver Niehaus.)