Am vergangenen Montag verstarb der Philosoph Robert Spaemann im Alter von 91 Jahren in Stuttgart. Spaemann gilt als einer der bekanntesten und renommiertesten konservativen Philosophen im deutschsprachigen Raum. Im Mittelpunkt seines Denkens steht die Frage nach der Zukunft des christlichen Glaubens in Anbetracht der vernunftgeprägten Moderne. Dennoch stellte Spaemann an vielen Stellen seine geistige Beweglichkeit unter Beweis – als strenggläubiger Katholik und als freigeistiger Philosoph.
Öffentliche Kritik äußerte Spaemann an dem amtierenden Papst Franziskus. Inhaltlich stand er dem emerierten Papst Benedikt XVI nahe. Er vertrat die Naturrechtslehre und trat ebenso als Kritiker der Abtreibung sowie der Wiederbewaffnung in Erscheinung. Dinge wie beispielsweise die umfassnede Umweltzerstörung und die Atomkraft wurden von Spaemann immer wieder aufgrund seines christlichen Glaubens abgelehnt. Grundsätzlich war die moderne Naturwissenschaft mit ihrem Funktionalismus, der die Menschen zu Objekten mache, eine der großen Herausforderungen in seinem Denken.
Seine philosophische Sozialisation erfuhr Spaemann in Münster bei der sogenannten Ritter-Schule. Jene gilt als Antagonist der Frankfurter Schule – nicht zuletzt wegen der marxismuskritischen Schriften von Günter Rohrmoser und Joachim Ritter. Doch auch die Arbeit an einem zeitgemäßen Wertkonservatismus geht auf die Ritter-Schule zurück. Eine Bezeichnung von außen war auch „modernitätskonservativ“. Spaemanns Promotion steht inhaltlich in dieser Tradition. Sie handelt vom französischen Philosophen Louis-Gabriel-Ambroise de Bonald, der neben Joseph de Maistre zu den Vordenkern der Restauration bzw. der Gegenrevolution gezählt wird.
Auch zum tagesaktuellen Geschehen äußerte Spaemann sich desöfteren. In diesem lesenswerten Interview zeigt er die Grenzen der christlichen Morallehre auf: „Es gibt verschiedene Grade der Nähe.“
„Der Antidogmatismus ist mindestens genauso missionarisch wie der Dogmatismus. Man begegnet heute in der Regel mehr Menschen, die einen von der Unsinnigkeit von Dogmen überzeugen wollen, als solchen, die deren Wahrheit predigen.
Der antidogmatische Relativismus läßt sich sogar als die letzte Form des europäischen Universalismus ansehen; und dieser Universalismus ist keineswegs besonders tolerant. Ihm gelten nämlich alle bestimmten Überzeugungen, die jemand nicht zur Disposition eines endlosen Diskurses stellt, als gefährlich, und er hat dafür die inflationär gewordene Vokabel ‚Fundamentalismus’ bereit. […]
Heute kann man beobachten, wie sich in Europa im Namen eines liberalen Universalismus ein illiberales Klima ausbreitet.“
(Robert Spaemann: Das unsterbliche Gerücht. Die Frage nach Gott und die Täuschung der Moderne. Stuttgart 2007. S. 154.)